Oder: Vorsätze für das neue Schuljahr
Letzten Sommer hatte ich mir vorgenommen, mich stärker auf das Lernen meiner Schüler:innen zu fokussieren. Ich wollte vor allem klarer kommunizieren, wie Lernen für mich aussehen sollte und das benennen, um #lautlernen zu praktizieren.
Die Überlegung führte zu den
Prinzipien für Deinen Lernweg
- Du bist Spezialist:in für Deinen Lernweg: Bestimme Dein Lerntempo, Dein Niveau, Deine Lernstrategie! Setze Dir Ziele!
- Das schulische Wissen ist kein Geheimnis, es steht in Büchern und im Internet: Informiere Dich, sammle die besten Informationen und teile sie mit Deinen Mitschüler:innen!
- Gemeinsam lernt jede:r besser: Organisiere so viel Zusammenarbeit mit Deinen Mitschüler:innen wie möglich und setzt euer Wissen so oft wie möglich in ein gemeinsames Lernprodukt um, z.B. PodCast, Video, Flyer, Quiz, Wiki, selbstgestalteter Vorschlag für eine Klassenarbeit..
- Wissen ist wertlos ohne Bedeutung: Suche immer nach Anwendungsmöglichkeiten in Deinem Leben – mache Dich für eine gute Sache stark, setze Dich für Andere ein, verbessere unsere Welt, indem Du Dein Wissen einsetzt.
Dort knüpfe ich an, denn so klar die Idee „Lernen 2021“ für mich auch ist und so sinnvoll die Prinzipien zur Information auch sind, mit zwei Gruppen muss ich mich noch intensiver darüber austauschen: mit den Kolleg:innen und den Schüler:innen.
Mit meinen Schüler:innen habe ich viel gemeinsam am (Lehr-)Lern-Setting gearbeitet (wie man an unserer Scrum-Variante gut erkennen kann). Nach wie vor geht es in meinem Unterricht um das Lernen der Schüler:innen, nicht um mein Lehren im Sinne einer Stoffvermittlung.
Doch diese neue Rolle funktioniert nur begrenzt in Lerngruppen, die klassischen Unterricht gewohnt sind. Ohnehin wurde mir immer klarer, dass ich im Twitterlehrerzimmer stark vernetzt bin und mich sehr kollaborativ engagiere, in der Schule dagegen weniger.
Mehr miteinander lehren!
Mein Vorsatz für das Schuljahr 2022/23:
Dieses „Lehren“ bleibt hier bewusst offen: Meine Prinzipien wirken als Kompass, ich weiß, wo ich hin will. Aber ich möchte auch stärker ins Gespräch darüber kommen mit meinen Kolleginnen und Kollegen.
Professionelle Lerngemeinschaften als Ansatz
Dafür scheint mir das Konzept der professionellen Lerngemeinschaften geeignet, Titelthema von „unterwegs“, der Mitgliederzeitschrift des DKV. Diese Lerngemeinschaften haben drei Merkmale:
- Gemeinsame Vorstellungen, in welche Richtung Unterricht verbessert werden sollte;
- die Motivation, Unterricht in Kooperation mit anderen zu entwickeln; und
- die Bereitschaft, Einblick in die eigene Unterrichtspraxis zu geben und diese kritisch zu reflektieren.
Genau darum geht es mir, um den Austausch über Vorstellungen zur Unterrichtsentwicklung, das Ausloten von Kooperations- und Kollaborationsmöglichkeiten und um die wechselseitige Reflexion von Unterrichtspraxis.
Punktuelle thematische und methodische Kooperation
Am einfachsten scheint mir eine Lerngemeinschaft, die sich auf ein konkretes Thema oder eine bestimmte Methode fokussiert:
So möchte ich versuchen, mit einzelnen Kolleg:innen über Audio-Feedback als Methode ins Gespräch zu kommen. Nach einem Jahr des Testens habe ich sehr positive Rückmeldungen aus meinen Kursen und Klassen bekommen (kurz skizziert im Artikel über Feedback). Nun würde ich gerne fachgebunden in den Austausch kommen. Ich könnte mir gut vorstellen, zu meinen Audios Feedback von jemandem zu bekommen und zu fremden Audios Feedback zu geben. Dann könnte man gemeinsam reflektieren, inwiefern dadurch Unterricht verbessert werden kann und worauf man achten sollte. Aber das konkrete Vorgehen müsste vor allem gemeinsam abgestimmt werden. Vielleicht kann Audio-Feedback sogar systematisch als methodische Option in schulischen Strukturen verankert werden.
Ebenso möchte ich versuchen, bezogen auf ein Thema beispielsweise in der Christologie und bei der politischen Rede in den Austausch, vielleicht sogar in eine gemeinsame Planung zu kommen. Konkrete Einheiten müssen dafür frühzeitig abgesprochen werden, das wird auch eine Frage von Zeitmanagement. Hier bin ich sehr gespannt, da sich Audio-Feedback als Methode anbietet, weil Klausuren überall nachbereitet werden müssen. Die inhaltliche Planung eines Themas hingegen erfordert eine kontinuierliche Kooperation.
Systematische Kooperationen initiieren: #relilab-schule
Etwas aufwändiger wird der Versuch, Kooperationen oder Lerngemeinschaften zu initiieren:
Hier möchte ich versuchen, als Fachobmann die Idee „relilab-schule“ voranzubringen. Ausgehend von der Situation, dass sich mit mir viele Kolleg:innen am #relilab angemeldet haben, aber nur wenige einen Weg gefunden haben, das #relilab für sich zu nutzen, möchte ich auf Fachschaftsebene Gelegenheiten für Kooperationen schaffen, um je einen konkreten Inhalt oder eine konkrete Methode aus dem #relilab in den Unterricht unserer Schule zu bringen – und anschließend überlegen, inwiefern das verstetigt werden kann, sowohl Inhalt oder Methode als auch das Vorgehen an sich. Leider unterrichte ich Religion aktuell nur in einem Leistungskurs, das schränkt mein eigenes Kooperationspotential dort stark ein.
Das Klassen-Team als professionelle Lerngemeinschaft?
Sicherlich die divergenteste Lerngemeinschaft könnten für mich die Kolleg:innen bilden, die in meiner Klasse unterrichten. Dort habe ich den Unterricht (wie auch in allen anderen Lerngruppen) stark projektifiziert – wie im Scrum-Artikel zu sehen ist. Nachdem ich im letzten Jahr dafür geworben habe, gemeinsam Stunden zu teilen, in denen Schüler:innen eigenständig und nicht fachgebunden an Projekten arbeiten können, gehe ich einen Schritt zurück. Ich versuche lediglich, für mehr Projekte im Unterricht (z.B. in Transfer- und Vertiefungsphasen) zu werben, da die Klasse darin Stärken hat und das ein geeigneter Weg zu sein scheint, Unterricht in einer iPad-Klasse weiterzuentwickeln. Hier ist aber die Frage, inwiefern daraus tatsächlich eine Lerngemeinschaft erwachsen kann.
Unterstützt werden könnte das durch die
Lernproduktorientierte Fortbildungs-Offensive zu iPad-Apps
In der Steuergruppe haben wir uns vorgenommen, im kommenden Schuljahr Schulungen zu allen Apps anzubieten, die wir systematisch auf den iPads nutzen, also die apple-eigenen Apps, aber auch Notability und einige andere. Nachdem ich bereits zu Keynote schulen durfte und den Fokus auf gifs und (Erklär)Videos gelegt habe, möchte ich auch bei den anstehenden Fortbildungen vor allem schauen, welche Lernprodukte sich erstellen lassen. So wird medienproduktives und projektförmiges Lernen stärker als bisher möglich. Zugleich soll auch die Frage nach der gemeinsamen Vorstellung von Unterricht, das gemeinsame Weiterentwickeln und Reflektieren im Blick sein. Ich glaube übrigens, dieses produktionsorientierte Lernen anhand einer App macht auch den Kolleg:innen mehr Spaß als die klassische Knöpfchenkunde: „Welchen Knopf am iPad muss ich eigentlich wann drücken?“
Förderung der Eigenständigkeit
Die offenste Lerngemeinschaft, die ich mir wünsche, ist wertezentriert: Ich würde mich gerne mit interessierten Kolleg:innen über eigenständiges Lernen austauschen. Ich würde gerne mit ihnen gemeinsam nach Räumen suchen, wo das in unserer Schule bereits möglich ist oder werden kann. Und ich würde gerne die Grenzen und Chancen eigenständigen Lernens reflektieren, vor allem aber dieses gemeinsame Nachdenken als lose Arbeitsgemeinschaft institutionalisieren – mit ein paar Treffen und einem gemeinsamen Austauschforum im Messenger vielleicht? Eventuell mit einem Wow der Woche – oder Wow des Monats?
Nicht Vollständigkeit oder Perfektion. Optionen zur Weiterentwicklung
Das alles ist keine Checkliste, es geht weder um all diese Lerngemeinschaften noch genau um diese Formen. Es geht um Weiterentwicklung. Für mich und für meine Schüler:innen. Und vielleicht für meine Kolleg:innen, mit denen ich gemeinsam lerne. Und lehre?
cc by Niels Winkelmann