WZ-Kolumne

Klassenarbeit im Distanzunterricht?

Kaum zeichnet sich ab, dass wieder Schüler zuhause lernen werden, kommen erste Mails: „Was ist mit der Klassenarbeit?“

Tja, Klassenarbeit. Die ist natürlich wichtig. Damit werden Noten begründet. Noten können Karrieren ermöglichen oder verhindern. Und da muss es fair zugehen. So werden Klassenarbeiten ein Fall für die Justiz.

Mir als Lehrer ist die pädagogische Funktion der Noten viel wichtiger. Meine Kinder sollen einschätzen können: Habe ich das Thema verstanden? Beherrsche ich Bruchrechnung?

Da Noten vergleichbar und überprüfbar sein sollen, wird die kontrollierende Aufsicht ins Distanzprüfen übertragen. Firmen bieten dafür „Proctoring“ an. Sie überwachen die Prüfung über Webcam und Mikrofon. Wie Big Brother. Ein lohnendes Geschäftsmodell.

Nicht mein pädagogischer Ansatz. Ich folge der Empfehlung des Kultusministers: „So viel Vertrauen und Freiheit wie möglich, so viel Kontrolle und Struktur wie nötig.“  Dafür wollen Forscher wie die Professorin für Grundschulpädagogik und -didaktik Uta Hauck-Thum einen „pädagogischen Leistungsbegriff“ finden. Schon jetzt lässt sie Kinder an Grundschulen Präsentationen oder Videos erstellen, ebenso bewertbar wie Klassenarbeiten. Vor allem kommt es da neben dem Unterrichtsstoff (wie der Bruchrechnung) auch auf Fähigkeiten wie Kooperation und Kommunikation an. Denn außerhalb der Schule zählt nicht Einzelkämpfertum wie in Klassenarbeiten, sondern Teamarbeit. Aber gelernt wird, was geprüft wird. Damit fallen solche wichtigen Fähigkeiten in der Schule unter den Tisch.

Außerdem waren Klassenarbeiten noch nie fair. Wer einen schlechten Tag hat, aufgrund einer beginnenden Erkrankung oder einer belastenden emotionalen Situation, hat nie dieselben Chancen wie die unbelastete und fitte Nachbarin. Dennoch zählen Klassenarbeiten oft fast die Hälfte einer Note.

Insofern ist die Frage nach sogenannten alternativen Prüfungsformaten kein neues Thema, aber in einer digitalen Welt stellt sich die Frage neu. Und ich muss sie meinen Klassen per Mail noch beantworten: Einige werden die Leistungsüberprüfung, wie Hauck-Thum es formuliert, „leicht angepasst online“ vornehmen. Andere lasse ich zuhause einen Selbsttest schreiben. Dann wissen wir, wo wir nach den Ferien ansetzen können. Mehr Vertrauen, weniger Kontrolle!

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