Wie wir Lernkulturen entwickeln und honorieren
„Eine Prüfung ist ein Verfahren, bei dem […] eine Leistung, durch bestimmte Aufgabenstellungen oder Fragen festgestellt“ wird. In den meisten Lernprozessen steht diese Prüfung am Ende. Wenn wir durch schulisches Lernen zugleich lebenslanges Lernen anbahnen wollen, müssen jedoch Überprüfungen von Lernprozessen zunehmend in die Hände der Lernenden gelegt werden, die selbst einschätzen müssen, inwieweit ihre Leistung hinreichend ist.
Die KMK öffnet die Lernkultur genau in diese Richtung, wie ein Blick in die KMK-Papiere „Bildung in der digitalen Welt“, „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ und „Handlungsempfehlung für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen“ zeigt. Mit einem Blick in die Papiere skizziere ich im Folgenden eine konsistente und zeitgemäße Vorstellung von Lernen, die in weiten Teilen meiner Idee von Unterricht entspricht:
Eigenverantwortliches Lernen ist Grundlage
Lernen wird von der KMK als eigenverantwortlich verstanden und basiert auf Gestaltungs- und Reflexionskompetenzen.

Bereits hier zeigt sich, dass eine Evaluation von außen nur bedingt über gelingendes Lernen entscheiden sollte. Eine Selbstevalutation auf der Basis reflexiver Prozesse gehört unbedingt dazu.
4K-Skills als zentrale Fähigkeiten

Für die 4K-Symbole: cc by Jöran Muuß-Merholz, mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis eine Folie von Markus Bölling
Hier zeigt sich neben der Abkehr von traditionellen reproduktiven Lern- und Prüfungsprozessen auch die Rezeption der sogenannten 4K-Skills, mehr dazu hier im Video. Bei individuellen Lernprozessen sind Kreativität und kritisches Denken als individuelle Hälfte der 4K von entscheidender Bedeutung. Zugleich ist funktioniert Lernen selten als rein individueller Prozess, die zweite Hälfte der 4K bestehen aus Kommunikation und Kollaboration:

Für die 4K-Symbole: cc by Jöran Muuß-Merholz, mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis eine Folie von Markus Bölling
Für mich ist besonders die Kollaboration von zentraler Bedeutung, wie ich hier erklärt habe.
Lernprozessen Raum und Gelegenheit geben
Solche individuellen und gemeinschaftlichen Lernprozesse benötigen Anlässe und Raum, in Projekten sowie Problem- und Produktorientierung:

Für die 4K-Symbole: cc by Jöran Muuß-Merholz, mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis eine Folie von Markus Bölling
Lernprozesse digital denken
Basis für diese Arbeit im digitalen Raum sind digitale Lernumgebungen:

Für die 4K-Symbole: cc by Jöran Muuß-Merholz, mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis eine Folie von Markus Bölling
Zugleich ermöglichen sie Autonomie der Lernenden, als Basis für Verantwortungsübernahme und Selbstständigkeit:
Gemeinsame Metakognition auf Basis von Dokumentation
Derartige Lernprozesse benötigen vielfältige Kompetenzen und unterstützende Prozesse. Die bereits genannte Gestaltungs- und Reflexionskompetenz erfährt Unterstützung durch Feedbackschleifen und die Dokumentation von Lernprozessen, insbesondere in Form der Portfolio-Arbeit:

Für die 4K-Symbole: cc by Jöran Muuß-Merholz, mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis eine Folie von Markus Bölling
KI mitdenken
Von diesem Konzept ist es dann nicht mehr weit zur Integration von KI in Bildungsprozesse, die als ko-aktiver Teil des Teams oder Individuums agiert. Die Ergebnisse müssen da ebenso kritisch hinterfragt werden wie anderen Input aus dem Team:

Für die 4K-Symbole: cc by Jöran Muuß-Merholz, mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis eine Folie von Markus Bölling
Lernprozesse bewerten
Wenn Lernen also als eigenständiger, 4K-basierter, projektförmiger, problem- oder produktiorientierter Prozess verstanden wird, der auf Basis einer digitalen Lernumgebung organisiert, dazu dokumentiert und anschließend reflektiert wird, müssen diese Dimensionen als Leistung verstanden und mitbewertet werden, denn: „Prüfungssituationen und -formate ergeben sich sowohl inhaltlich als auch methodisch aus dem konkreten Unterricht.“
Dementsprechend positioniert sich die KMK:

Für die 4K-Symbole: cc by Jöran Muuß-Merholz, mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis eine Folie von Markus Bölling
Vor allem fordert sie die Entwicklung neuer Prüfungsformate:
Konsequenzen für meine Bewertungspraxis
Aus meiner Sicht besteht im Wandel der Formulierung eine entscheidende Wende, wenn wir weniger von „Prüfungsformaten“ sprechen und mehr von „Leistungsüberprüfungsformaten“: Leistung ist längst nicht mehr Arbeit pro Zeit, wie sie in der Welt der Maschinen gemessen werden kann. Menschliche Leistung ist hochkomplex und besteht in vielen Fällen aus dem Lernprozess selbst.
Daher arbeite ich sehr gerne mit Portfolios zu Lesejournalen, die eine einfach zu organisierende Form der Dokumentation mit einer Reflexion verbinden. Ebenso implementiere ich gerne Projekte im Bereich der sonstigen Mitarbeit.
Auch wenn wir vorsichtig sein müssen, Reflexionen zu bewerten, da diese ebenso subjektiv wie persönlich sind, kann ich dennoch Mut machen: Wenn Lernende gelernt haben, einerseits den eigenen Lernprozess sachlich zu beschreiben, andererseits selbstkritisch zu hinterfragen und in Alternativen denken, stärkt dies wiederum zukünftige Lernprozesse. So entwickeln sich Lernende selbst weiter, indem sie die Aufgabe sinnvoll bearbeiten. Aus meiner Sicht korrespondieren dann oft (sehr) gut Noten mit (sehr) guter Entwicklung. Vor allem ergeben sich aus hohem Engagement große Lernerfolge und gute Noten und umgekehrt aus geringem Engagement entsprechend geringe Lernerfolge und schlechte Noten.
cc by Niels Winkelmann
