
Der DJ-Controller ermöglicht DJs, einen guten Mix zwischen den unterschiedlichen Songs herzustellen. Auch für zeitgemäßes Lernen eignet er sich als Metapher – sowohl auf der Ebene des Lehrens als auch auf der Ebene von individuellem und kollaborativem Lernen. Wie und vor allem warum der DJ-Controller beim Verstehen dieser Lernprozesse hilft:
Das Was und das Wie des Lernens
Zentraler Teil der Metapher ist die Trennung des Was des Lernens vom Wie des Lernens. Ähnlich wie zwei Tracks, die ein:e DJ mixt, sollten wir das, was gelernt wird, also Fachinhalte und zugehörige Fachdidaktiken mit ihren fachspezifischen Kompetenzen einerseits, getrennt betrachten von dem Wie des Lernens andererseits, also den Methodiken und den überfachlichen Kompetenzen. Diese gilt es gut miteinander zu mischen, daher hat der Mixer seine zwei Seiten, aber auch die Mischfunktion in der Mitte: Wir müssen mal stärker in die eine oder andere Seite hineinhören und mit dem Crossfader auch schnell von der einen zur anderen Seite wechseln können.

Loop/Sync

Beide Seiten haben eine Loop- und eine Sync-Funktion. Bei der Loop-Funktion sucht ein:e DJ eine kurze Musiksequenz heraus und wiederholt diese mehrfach. Mit In wechselt man in diesen Loop, mit Out geht es wieder heraus. Das spiegelt agile Zyklen, in denen gelernt wird (wie bei mir in Scrum). Oft lernen wir nicht mehr linear, weil Lernzuwächse entwicklungspsychologisch eher mit Stufenmodellen zu beschreiben ist. Insofern sind kleine Zyklen wichtig, in denen Lernende wiederholend lernen können, bis sie für die nächste Stufe bereit sind.
Mit Sync stellt ein:e DJ die Synchronizität zwischen den Beats der beiden Seiten her. Auf das Lernen übertragen meint das die Passung zwischen dem Was und dem Wie des Lernens.
CUE und weitere Effekte

Der CUE-Mixer spiegelt eine interessante Funktion am DJ-Controller: Hier kann ein:e DJ vorab hören, wie der künftige Mix klingen wird (Mehr dazu). Übertragen auf das Lernen bedeutet das, dass wir immer auch überprüfen müssen, inwieweit diese Kombination von Was und Wie Sinn ergibt. Es geht also um das Monitoring von Lernprozessen durch Lehrende und Lernende!
Außerdem gibt es beim Was des Lernens verschiedene Effekte, die ich zuschalten kann. Hier sind das exemplarisch die Sachlogik, die ich vielleicht in Mathematik eher in den Mittelpunkt stelle, der mögliche Zugang zum Thema, den ich beispielsweise spielerisch herstellen kann oder auch durch Experimente im Alltag, und die Relevanz, die bei schulischen Themen immer wieder angefragt wird – beispielsweise bei Themen wie der Gedichtinterpretation.

Beim Wie des Lernens habe ich die Frage nach dem Umgang mit Fehlern, FeedForward und das Teilen von Erkenntnissen und Lernprodukten aufgegriffen. Mehr zu den zugehörigen Kulturen zeigt sich später.
Der eigentliche Remix

Das Herzstück des DJ-Controllers ist der Mix-Bereich. Hier entsteht der endgültige Sound der Mischung. Unser Pult ist dem Equalizer nachempfunden.
Die Reflexion mischt hier den CUE-Bereich. Wenn wir wie oben beschrieben den zukünftigen Mix monitoren, ist das genau die (un)bewusste Reflexion des Lernprozess, die Lernende verinnerlichen und sich immer wieder bewusst machen sollten.
Das Feedback ist auf dem DJ-Controller im Bereich der Effekte wie des Halls positioniert. Feedback ist sozusagen der gewollte Nachhall des Remix. Feedback im eigentlichen Sinne muss von Lernenden gewollt und erbeten werden, Lernende können das also bewusst stärker ein-mischen oder auch ausblenden.
Anstelle der Equalizer für die beiden Kanäle hat unser Controller vier Klangfarben, wie der Output gestaltet wird. (Mein) Unterricht ist zunehmend auf Produkte, Projekte, Portfolios und/ oder formatives Assessment ausgerichtet. Die Mischung zwischen diesen Schwerpunkten ist teilweise fließend, oft werden Elemente miteinander kombiniert.
Der Master Out spiegelt die Performance, mit der dieser Mix versehen wird. Schüler:innen interessieren sich zunehmend für ihren eigenen Mix, aber nicht immer auch für eine maximale Ausgangslautstärke (aka Note).
DJ-Controller für Lehrende oder Lernende?
Zunächst scheinen wir Lehrende diesen Mix zu definieren, aber wie bereits angedeutet, liegt dieser Controller immer in den Händen der Lernenden, die mitunter ihren ganz eigenen Mix fahren. Das zeigt sich besonders in kollaborativen Settings:
Der Remix der Kollaboration

In kollaborativen Settings müssen wir eigentlich bedenken, dass jede:r Lernende einen eigenen DJ-Controller in sich trägt – und diese miteinander synchronisiert und im Verhältnis zueinander abgemischt werden müssen. (Deshalb ist Kooperation auch so viel einfacher, weil ich die Controller nur kurz synchronisieren muss, oft auch gar nicht.)
Hier sehen wir zwei Controller für die Partnerarbeit, die per Crossfader gemischt werden:

Auch hier gibt es den Master Out für die angestrebte Performance.
Für die Team-Reflexion müssen alle DJs ihre eigene Reflexion passend vorkonfigurieren, möglichst auch ein Feedback einmischen und mit einem FeedForward abgleichen. Ähnliche Einstellungen sollten für Peer Feedback gelten, bei dem Lernende den Mix der Anderen genauer anhören.
Das Peer Coaching läuft in Teams häufig von alleine durch wechselseitige Unterstützung, kann aber ebenfalls durch Monitoring-Prozesse befördert und bewusst gemacht werden. So begleiten wir Lernende zunehmen in die Selbstständigkeit.
Auch ein Peer Review wird so möglich, dass also eine Gruppe die Arbeitsergebnisse und -prozesse in den Blick nimmt oder im Peer Assessment sogar bewertet, weil Kompetenzen im Was und Wie des Lernens hoch genug sind.
Vom Remix zur Kultur
Wenn Lerngruppen ihren Mix gefunden haben, kann daraus eine Kultur entstehen, ein unverwechselbarer Sound. Bei einer Kultur des Teilens werden der Erkenntnisse, Lernmaterialien und eigene Produkte wie Lernzettel miteinander geteilt. Bei einer positive Fehlerkultur werden Fehler wirklich als Lernchancen wahrgenommen und niemand muss Angst vor Fehlern haben. Auch eine Feedback-Kultur, eine Reflexionskultur und eine entsprechende Prüfungskultur (mehr dazu) können durch Übung und Erfahrung im eigenständigen und kollaborativen Remix des Lernens zu einer zeitgemäßen Lernkultur beitragen!
cc by Niels Winkelmann
