WZ-Kolumne

Gibt’s da nicht ne App?

„Meine Tochter tut sich in Mathe so schwer, gibt’s da nicht ne App?“ Mein Jugendfreund Thomas steht auf Apps und Gadgets. Keine technische Spielerei lässt er aus. Technik first, Bedenken second scheint manchmal sein Motto.

„Welches Thema hat sie denn grade?“ Manchmal gibt es hilfreiche Apps. Geometrie etwa funktioniert oft besser mit einer guten Visualisierung.

„Nein, kein konkretes Thema. So grundsätzlich halt. Wir hatten auch an Nachhilfe gedacht. Eine App wäre halt cooler, da lernt man nebenbei! Du lernst doch auch die ganze Zeit am Tablet – hast Du mal erzählt!“ 

Thomas ist definitiv auf dem Technik-Trip. Und er verwechselt da etwas: Ja, ich lerne oft und viel am Tablet. Manchmal fühlt sich das ganz leicht an. Aber nein, dafür gibt es keine App, aus der das Wissen dann in mich hineinströmt. Oft informiere ich mich im Internet und lerne fast nebenbei Neues. Wenn ich ein Thema interessant finde. Das nennt die Pädagogik informelles Lernen. Auch den Gegenpol, formales Lernen, nutze ich. Oft sind das Onlinekurse. Die haben wie Schule einen formalen Rahmen: Neues wird erklärt, dann gibt es dazu Aufgaben, die ich lösen muss; am Ende gibt es eine Bescheinigung, aber ohne Noten.

Aber beides wird Thomas nicht helfen. Er hofft auf eine Lösung, die es nicht gibt. Er möchte seiner Tochter die Mühen des Lernens ersparen. Wie mein informelles Lernen soll das ablaufen. Aber informelles Lernen ist stark vom Interesse der Lernenden abhängig. Unser Schulsystem hingegen soll sicherstellen, dass alle Kinder zur gleichen Zeit dasselbe können.

Dennoch kann man Vieles mit Spaß und nebenbei lernen. Dafür nutze ich als Lehrer Möglichkeiten, bei denen meine Schülerinnen und Schüler das Lernen mit kreativer Arbeit verbinden können. Wenn sie etwas Eigenes produzieren, ein Video, einen PodCast oder ein Ebook. Das passiert dann zwar mit einer App, dennoch lernt auch da niemand von selbst. Erst die Eigenaktivität führt zu Lernprozessen und neuen Lernwegen. So ist Lernen weniger formalisiert, aber dennoch nicht beliebig. Denn am Ende müssen sich alle daran messen lassen, ob das Thema ganz verstanden wurde. So lernen sie auf eigenen Lernwegen Vieles nebenbei. Anderes müssen sie sich hart erarbeiten, weil sie das nicht so spannend finden. 

Nur: Wie erkläre ich das Thomas? Dafür hätte ich gerne eine App.

Diese Kolumne wurde am 27. April in gekürzter Fassung in der Wilhelmshavener Zeitung veröffentlicht.

cc by Niels Winkelmann

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